Die Entwicklung von Konstruktionsbaukästen
Jeder Erwachsene ist in seiner Kindheit wohl schon einmal mit einem Konstruktionsbaukasten und seinen verschiedenen Bauelementen in Berührung gekommen. Damit verbunden sind Erinnerungen an die eigenen Entwicklungen und Erfindungen, die durch einen solchen Baukasten, gleich welcher Art, verwirklicht wurden. Einige Erwachsene halten diese Erinnerungen durch das Sammeln und Anwenden solcher Baukästen bis ins hohe Alter wach. Einen wesentlichen Beitrag zur Durchsetzung moderner Konstruktionsbaukästen lieferten wohl die Fischerwerke in Waldachtal, die durch die Entwicklung und die Produktion des berühmten Nylondübels weltbekannt wurden. Denn trotz der rasanten technischen Entwicklung zählt auch heute der Konstruktionsbaukasten nach wie vor zu den wichtigsten Lern- und Entwicklungshilfen im Bildungs- und Erziehungswesen.
Die Anfänge des Baukastenprinzips lassen sich nicht datieren. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Triebfeder der Kinder, etwas bauen zu wollen, so alt ist wie die Menschheit selbst. Über die Jahrhunderte der menschlichen Entwicklung hinweg, gewann es zunehmend an Bedeutung. Dies belegen Abbildungen von Kindern, die mit selbst gebauten Spielzeugen ihre Kindheit bereicherten, wobei immer die Natur sowie die Welt der Erwachsenen als Vorbild dienten. Zur Anwendung kamen dabei jedoch nicht die mehrfach verwendbaren Elemente eines Baukastens, sondern vielmehr frei verfügbare Gegenstände des täglichen Gebrauchs.
Der erste wirkliche Baukasten mit wiederverwertbaren Bauelementen wurde von Friedrich Fröbel, dem großen Pädagogen der Aufklärung und Begründer des Kindergartens, im 19. Jahrhundert auf wissenschaftlicher Basis entwickelt. Sein System von Bewegungsspielen einerseits und Spiel- und Beschäftigungsaufgaben andererseits enthielt als Ausgangspunkt seine sog. „Spielgaben“ in Form verschiedener Körper (Kugeln, Würfeln, Walzen), die in Baukästen verschiedener Stufen zusammengestellt waren und deren Materialerfahrung für Kinder von grundlegender Bedeutung war.
Abweichend von der Entwicklung Fröbels, doch mit einer nahezu identischen Zielsetzung, kann man heute die Idee der Gebrüder Gustav und Otto Lilienthal im Jahre 1880 als Geburtsstunde moderner Konstruktionsbaukästen bezeichnen. Zwei epochemachende Baukastensysteme lassen sich auf die Gebrüder Lilienthal zurückführen: Der Steinbaukasten, später bekannt unter dem Namen „Anker-Steinbaukasten“, mit dem Adolf Richter, nachdem er den Lilienthals das Verfahren abgekauft und patentieren lassen hatte, förmlich „steinreich“ wurde, und der erste Konstruktionsbaukasten aus Holz, der, auf den Namen Otto Lilienthal patentiert, schon erste entscheidende Merkmale künftiger Konstruktionsbaukästen in Form von Lochleisten enthielt.
Diese ersten industriell angefertigten, völlig kompatiblen Bauelemente, die in verschiedenen Baukästen zusammengestellt waren, ließen durch ihre beliebige Handhabung die verschiedensten Modellvariationen zu. Wenige Jahre später gelang den beiden die Erfindung des ersten Konstruktionsbaukastens, der mit Hilfe von gelochten Leisten, Splinten, Keilen und in Nuten zu schiebenden Flächenfüllungen die wackligen Klötzchenbauteile ablöste. Die weiteren Entwicklungen basierten immer nur auf der Lilienthalschen Idee. Dabei kamen vornehmlich die Grundstoffe Holz und später auch Metall zur Anwendung. Beispiele dafür sind die „Matador“- und die „Baufix“-Holzbaukästen sowie „Meccano“-, „Trix“- und „Märklin“-Metallbaukästen.
Die Entwicklung hochwertiger, langlebiger Kunststoffe sollte den Beginn einer neuen Ära im Bereich der Konstruktionsbaukästen einleiten. Unter dem Handelsnamen „Idema“ entwickelte Josef Dehm nach dem 2. Weltkrieg die ersten Kunststoffbausteine aus Bakelit und stellte diese zu sinnvollen Baukästen zusammen. Parallel zu der Entwicklung von Dehm brachte Godfred Kirk Christiansen 1949 einen Baustein aus Kunststoff, den sogenannten Mauerstein, auf den Markt. Er bestand aus Celluloseacetat, das auf einer Spritzgussmaschine verarbeitet werden konnte. Dieser Mauerstein ist heute unter dem Produktnamen „Lego“ weltbekannt. Anfang der fünfziger Jahre war die Spritzgusstechnologie für Kunststoffe dann soweit ausgereift, dass Thermoplaste verarbeitet werden konnten.
Vor dem Hintergrund einer Verbesserung der Teileverbindung entwickelte Max Amsler 1959 nach dem Vorbild des Elementbaus den sogenannte „Constri“-Baukasten, der es erstmals zuließ, von dem traditionellen Backsteinprinzip aller anderen Konstruktionsbaukästen aus Kunststoff abzuweichen. Damit war es möglich, technische Abläufe durch Kunststoffbauteile nachzugestalten.
Ausgehend von dieser Entwicklung zeugte die Erfindung des fischertechnik-Systems durch Artur Fischer von einer eindeutigen Innovation auf dem Gebiet der Konstruktionsbaukästen auf Kunststoffbasis. Das fischertechnik-System erlaubt es, technische Funktionen nicht nur vom Aussehen her zu gestalten, sondern tatsächlich in Modellen zu realisieren: Technik wie in der Wirklichkeit. Damit wurden für Kunststoffe konstruktive Möglichkeiten erschlossen, die bis dahin vornehmlich den Metallbaukästen vorbehalten waren.